Was bei Wohn- oder Gewerbeimmobilien bereits umgesetzt wird – nämlich Investments in Immobilien, in denen man beispielsweise gesund und bezahlbar wohnen oder arbeiten kann, die wenig Energie verbrauchen, bei deren Bau ökologische Aspekte explizit berücksichtigt werden, die aufgrund ihrer Nutzungsform einen sozialen Beitrag liefern oder die besonders gut an den ÖPNV angeschlossen sind – könnte auch im Segment Handelsimmobilien umgesetzt werden.
Nicht nur bei Privatanleger*innen steigen die Anlagevolumina in nachhaltige Geldanlagen seit den letzten Jahren stark an. Auch bei institutionellen Investoren geht der Trend eindeutig in Richtung Nachhaltigkeit. Gemäß Daten aus der jährlich von Union Investment durchgeführten Nachhaltigkeitsstudie, erreicht die Zahl nachhaltig anlegender institutioneller Investoren einen Rekordstand. So ist in 2020 der Anteil institutioneller Investoren, die Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, auf einen neuen Rekordwert von 80 Prozent gestiegen und auch zukünftig wird ein starkes Wachstum erwartet.
Aber es gibt einen Haken. Die Auswahl an ESG-gerechten Angeboten, insbesondere im Immobiliensegment, hinkt der Nachfrage hinterher. Aber was genau zeichnet nachhaltige Immobilien bzw. Immobilienfonds, die spezifische ESG-Kriterien in der Anlagestrategie berücksichtigen, aus? Von nachhaltigen Gebäuden kann erst gesprochen werden, wenn explizit die drei ESG-Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales berücksichtigt werden. Die Ökonomie bezieht sich darauf, dass Gebäude wirtschaftlich sinnvoll und über den gesamten Lebenszyklus betrachtet werden. Die Ökologie steht für den ressourcen- und umweltschonenden Bau und Betrieb von Gebäuden. Im Fokus sozialer Aspekte steht der Nutzungszweck eines Gebäudes. Darüber hinaus sollten im gewerblichen Bereich bestimmte Nutzungsformen ausgeschlossen werden, die nicht den individuellen ethischen Werten entsprechen. Dazu gehört der Verkauf von Waffen, Tabak oder Alkohol. Auch der Betrieb von Tankstellen kann relevant sein, um das Portfolio frei von Aktivitäten im Bereich fossiler Brennstoffe zu halten.
Heute existieren ankerkannte Bewertungssysteme für nachhaltige Gebäude oder Immobilienfonds. Das sind zum einen die bereits seit längerem etablierten „Green-Building-Zertifizierungen“ für Gebäude, wie BREEAM, LEED oder DGNB, die sich allerdings auf eine Integration ökologischer Aspekte für einzelne Gebäude beziehen. Daneben existieren Bewertungssysteme zur Messung der Nachhaltigkeitsperformance von Gebäudebeständen. Dazu gehört das „GRESB-Rating“, das sich auf Immobilienunternehmen mit großen Portfolien fokussiert, oder das im Frühjahr 2021 ins Leben gerufene „ECORE-Scoring“ der europäischen Brancheninitiative „ESG-Circle of Real Estate“. Das ECORE-Scoring macht durch seine ganzheitliche Methodik einzelne Immobilien, aber auch Immobilienportfolios vergleichbar in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte mit Fokus Umwelt und Klima.
Aber auch außerhalb der am Markt befindlichen Standards und komplexen Bewertungssysteme ist es mit individuellen Lösungen möglich, eine Berücksichtigung von ESG im Portfoliomanagement zu belegen. Denn um einen Vertrauensverlust bei nachhaltigen Investoren oder Vorwürfe des Greenwashings zu vermeiden, bedarf es einer unabhängigen Überprüfung der Nachhaltigkeitsleistungen, auch bei einem Immobilienfonds. Eine solche Überprüfung kann belegen, dass ein Immobilienfonds geeignet ist, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen oder, aus dem Blickwinkel nachhaltiger Investoren, als ESG-gerechtes Immobilieninvestment bezeichnet zu werden. Eine Überprüfung sollte folgende zentrale Aspekte beinhalten:
- CSR-Management inklusive -Transparenz des Fondsmanagers (Verankerung von Nachhaltigkeit im Unternehmen),
- Eignung der Methodik zur Auswahl nachhaltiger bzw. ESG-konformer Immobilien (Vorhandensein geeigneter nachhaltiger Anlagerichtlinien inklusive Ausschluss- und Positivkriterien, etc.),
- Qualität der Research- und Investment-Prozesse (Definition von Verantwortlichkeiten und angemessene Informationsgrundlagen, etc.),
- Qualitative ESG-Analyse einzelner Titel und Portfolio-Bewertung (Durchführung einer Performance-Bewertung) sowie
- Erfüllung der Anforderungen der am Markt für Sustainable Finance verabschiedeten Konzepte und Klassifizierungen für nachhaltige Investments (Offenlegungs-Verordnung, EU-Taxonomie, etc.).
Nachhaltigkeit bzw. ESG-Kriterien bei Immobilieninvestments sind längst nicht mehr nur Nischenthemen am nachhaltigen Finanzmarkt. Um zukünftig dem steigenden Bedarf nach ESG-berücksichtigenden Immobilieninvestments gerecht zu werden und den Markt in Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln, braucht es deshalb beides: innovative Produktbewertungskonzepte für die unterschiedlichen Arten von Immobilien-Investments und unabhängige Überprüfungen von Fondskonzepten, die die Einhaltung der selbst gesteckten Ziele, aber auch das Vorhandensein eines notwendigen Maßes an ESG bzw. Nachhaltigkeit sicherstellen und damit die Glaubwürdigkeit des Finanzproduktes belegen.